Zum Inhalt springen

Warum eine ärztliche Diagnose bei Rückenschmerzen nicht wirklich wichtig ist

Diagnose vom Arzt bei Rückenschmerzen - Thumbs Down by Old Lady Doctor Using Laptop

Einleitung

Stell dir vor, du gehst durch deinen Arbeitstag und bemerkst plötzlich einen stechenden Schmerz in deinem unteren Rücken. Du entschließt dich, einen Arzt aufzusuchen, in der Hoffnung, dass eine klare Diagnose dir Erleichterung verschafft. Nach einem MRT erhältst du die Diagnose „Bandscheibenvorfall“, und statt Klarheit fühlst du dich nun verunsichert und ängstlich. Diese Angst führt dazu, dass du bestimmte Bewegungen vermeidest und dich körperlich einschränkst. Doch ist eine solche Diagnose wirklich immer hilfreich? In diesem Artikel erfährst du, warum eine ärztliche Diagnose bei Rückenschmerzen oft nicht nur überflüssig, sondern sogar schädlich sein kann.

1. Der häufige Einsatz von bildgebenden Verfahren und ihre Tücken

Viele Menschen glauben, dass bildgebende Verfahren wie MRTs oder Röntgenaufnahmen die Ursache ihrer Rückenschmerzen aufdecken können. Doch die Realität sieht oft anders aus. Brinjikji et al. (2015) fanden heraus, dass degenerative Veränderungen in der Wirbelsäule, wie Bandscheibenvorfälle oder Arthrose, bei vielen Menschen vorkommen, die keinerlei Rückenschmerzen haben. Diese Befunde sind häufig altersbedingt und haben oft keine klinische Relevanz.

Stell dir vor, du erhältst nach einem MRT die Diagnose „Bandscheibenvorfall“. Sofort beschleicht dich die Angst, dass du schwere Gegenstände nicht mehr heben oder bestimmte Bewegungen vermeiden solltest. Doch was, wenn dieser Befund gar nichts mit deinen Schmerzen zu tun hat? Eine solche Diagnose kann unnötige Ängste auslösen und dazu führen, dass du dich unnötig einschränkst.

2. Rückenschmerzen als multifaktorielles Problem

Rückenschmerzen sind selten das Ergebnis einer einzelnen Ursache. Oft sind sie das Resultat eines komplexen Zusammenspiels von physischen, psychischen und sozialen Faktoren. Du könntest zum Beispiel in einer stressigen Lebensphase stecken, wenig Bewegung haben und abends erschöpft auf das Sofa fallen. Diese Mischung aus Stress und Bewegungsmangel kann zu Verspannungen führen, die schließlich als Rückenschmerzen wahrgenommen werden.

Waddell (2004) betont, dass Rückenschmerzen oft durch eine Kombination dieser Faktoren verursacht werden, die ein MRT oder eine Röntgenaufnahme allein nicht erfassen kann. Dein Rücken könnte auf dem Bild „normal“ aussehen, und dennoch könntest du unter starken Schmerzen leiden – einfach weil dein Stresslevel hoch ist und du dich zu wenig bewegst. Die Vorstellung, dass Rückenschmerzen nur durch einen „defekten“ Rücken verursacht werden, greift zu kurz und führt oft zu unnötigen Behandlungen.

3. Wichtige Red Flags: Wann eine Diagnose wirklich wichtig ist

Es gibt bestimmte Situationen, in denen eine ärztliche Diagnose unumgänglich ist. Ropper & Zafonte (2009) heben hervor, dass Symptome wie plötzliche Lähmungen, Taubheit im Genitalbereich, Verlust der Blasen- oder Darmkontrolle und starke, unerklärliche Schmerzen sofortige medizinische Hilfe erfordern. Diese „Red Flags“ deuten auf schwerwiegende Erkrankungen wie Tumore oder das Cauda Equina Syndrom hin, bei denen eine schnelle Diagnose und Behandlung lebenswichtig sein kann.

Doch für die Mehrheit der Menschen mit Rückenschmerzen, die keine dieser Red Flags aufweisen, ist eine umfassende diagnostische Abklärung oft nicht notwendig. Vielmehr sollte der Fokus auf der Linderung der Symptome und der Verbesserung der Funktionalität liegen.

4. Der Mythos der „perfekten“ Diagnose

Ein weit verbreiteter Mythos ist, dass jede Rückenschmerzursache mit einer präzisen Diagnose gefunden und dann effektiv behandelt werden kann. Deyo et al. (2009) zeigen, dass Überdiagnosen oft zu unnötigen medizinischen Eingriffen führen, die langfristig keinen Vorteil bringen und die Schmerzen sogar verschlimmern können.

Stell dir vor, du erhältst die Diagnose „degenerative Veränderungen“ und wirst an einen Spezialisten überwiesen, der dir eine Operation empfiehlt. In der Hoffnung, dass der Eingriff deine Schmerzen lindern wird, stimmst du zu. Doch Monate später merkst du, dass die Schmerzen zurückgekehrt sind und du dich durch die Operation nur eingeschränkt bewegen kannst. Diese Erfahrung verdeutlicht, dass die Suche nach der „perfekten“ Diagnose und Behandlung nicht immer zu den gewünschten Ergebnissen führt.

5. Angst-Vermeidungsverhalten und seine Folgen

Eine Diagnose wie „Bandscheibenvorfall“ kann starke Ängste auslösen, die zu einem sogenannten Angst-Vermeidungsverhalten führen. Vlaeyen & Linton (2000) beschreiben, wie Patienten bestimmte Bewegungen oder Aktivitäten meiden, aus Angst, ihren Zustand zu verschlimmern. Doch diese Vermeidung kann kontraproduktiv sein, da sie die Bewegungsfreiheit einschränkt und die Schmerzen chronisch werden lässt.

L. G. Moseley (2007) erklärt, dass Schmerz nicht nur ein physisches Phänomen ist, sondern stark von der Art und Weise beeinflusst wird, wie das Gehirn auf bestimmte Signale reagiert. Das Gehirn kann Schmerzen erzeugen oder verstärken, selbst wenn keine ernsthaften körperlichen Schäden vorliegen. Eine Diagnose wie „Bandscheibenvorfall“ kann das Gehirn dazu bringen, mehr Schmerzen zu „erwarten“ oder „zu antizipieren“, was die Situation weiter verschlimmert.

6. Der Nocebo-Effekt und die Erwartung von Schmerzen

Moseley hat auch ausführlich über den Nocebo-Effekt gesprochen – die Idee, dass negative Erwartungen oder Überzeugungen die Schmerzempfindung verschlimmern können. Wenn Patienten glauben, dass sie eine schwere Verletzung haben, werden sie wahrscheinlich mehr Schmerzen empfinden, unabhängig davon, ob die Verletzung tatsächlich schwerwiegend ist oder nicht. Ärztliche Diagnosen, die negative Erwartungen verstärken, können daher mehr Schaden als Nutzen anrichten. Beispielsweise könnte ein Patient, dem gesagt wird, dass er einen „schweren Bandscheibenvorfall“ hat, in Zukunft mehr Schmerzen empfinden, einfach weil er erwartet, dass es ihm schlechter gehen wird (Moseley, 2008).

7. Schmerz als Schutzmechanismus

Moseley beschreibt Schmerz als einen Schutzmechanismus, den das Gehirn einsetzt, um den Körper vor wahrgenommenen Gefahren zu schützen. Dies bedeutet, dass Schmerz nicht immer direkt mit dem Ausmaß der körperlichen Verletzung korreliert. In vielen Fällen signalisiert das Gehirn Schmerz, um uns zu warnen, selbst wenn keine schwerwiegende Verletzung vorliegt. Patienten müssen verstehen, dass Schmerz oft nicht proportional zu körperlichen Befunden ist. Eine ärztliche Diagnose, die den Schmerz überbetont, kann diesen Schutzmechanismus unnötig verstärken, was zu chronischem Schmerz führt, obwohl keine ernsthafte Verletzung vorliegt (Moseley, 2003).

8. Typische Mythen und Falschinformationen

Viele Menschen glauben, dass sie bei Rückenschmerzen bestimmte Bewegungen vermeiden oder auf das Heben schwerer Gegenstände verzichten sollten. Diese Überzeugungen sind weit verbreitet, aber oft falsch. Borenstein (2013) betont, dass moderate Bewegung und gezielte Übungen oft effektiver sind als vollständige Ruhe. Eine Diagnose, die solche Mythen verstärkt, kann dazu führen, dass Menschen inaktiv werden, was die Rückenschmerzen langfristig verschlimmert.

9. Der Bedarf an klarer, konsistenter und personalisierter Information

Patienten mit Rückenschmerzen benötigen klare, konsistente und auf sie persönlich zugeschnittene Informationen über Prognose, Behandlungsmöglichkeiten und Strategien zur Selbsthilfe. Lim et al. (2019) fanden heraus, dass viele Patienten sich überfordert fühlen, wenn sie mit widersprüchlichen Informationen konfrontiert werden. Dies führt oft dazu, dass sie keine informierten Entscheidungen über ihre Gesundheit treffen können.

Stell dir vor, du erhältst nach einem Arztbesuch mehrere widersprüchliche Ratschläge, was du tun oder lassen solltest. Du weißt nicht, wem du glauben sollst, und endest damit, gar nichts zu tun – was deine Schmerzen nur verschlimmert. Im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes, wie ich ihn in meinem Online Coaching anbiete, erhältst du stattdessen klare und auf dich zugeschnittene Informationen. Wir entwickeln gemeinsam eine Strategie, die auf deinen individuellen Bedürfnissen basiert und dir hilft, deine Rückenschmerzen aktiv zu managen.

10. Der wirkliche Fokus: Funktion und Lebensqualität

Statt sich auf eine spezifische Diagnose zu konzentrieren, sollte der Fokus auf der Wiederherstellung der Funktion und der Verbesserung der Lebensqualität liegen. Karjalainen et al. (2003) zeigen, dass ein multidisziplinärer Ansatz, der körperliche, psychische und soziale Aspekte berücksichtigt, nicht nur die Lebensqualität verbessert, sondern auch die Schmerzintensität reduziert.

Stell dir vor, du beginnst ein ganzheitliches Trainingsprogramm, das auf deine individuellen Bedürfnisse abgestimmt ist. Du bemerkst, wie du mit der Zeit stärker, beweglicher und selbstbewusster wirst. Statt sich ständig auf den Schmerz zu konzentrieren, verschiebt sich dein Fokus auf das, was du wieder tun kannst – wandern, spielen, arbeiten – ohne Einschränkungen.

Fazit

Für die Mehrheit der Menschen mit Rückenschmerzen ist eine spezifische ärztliche Diagnose oft nicht notwendig und kann sogar kontraproduktiv sein. Der Fokus sollte stattdessen auf einer ganzheitlichen Behandlung liegen, die sowohl körperliche als auch psychische Aspekte berücksichtigt. Eine bessere Funktion und Lebensqualität sind das Hauptziel, nicht eine perfekte Wirbelsäule auf dem MRT. Indem du Ängste und Mythen hinter dir lässt und dich auf Bewegung und gesunde Lebensgewohnheiten konzentrierst, kannst du langfristig schmerzfrei und aktiv leben.

Schmerz ist oft ein komplexer Schutzmechanismus, den das Gehirn einsetzt, um den Körper vor vermeintlichen Gefahren zu schützen. Dieser Mechanismus kann durch negative Erwartungen und eine übermäßige Fokussierung auf strukturelle Diagnosen verstärkt werden, was letztendlich zu einer Chronifizierung der Schmerzen führen kann. Stattdessen ist es wichtig, sich auf die funktionellen Aspekte der Gesundheit zu konzentrieren, regelmäßig in Bewegung zu bleiben und eine positive Einstellung zur eigenen körperlichen Aktivität zu entwickeln.

Durch das Erkennen und Überwinden von Angst-Vermeidungsverhalten und das Akzeptieren, dass Schmerz nicht immer ein direktes Abbild der körperlichen Realität ist, kann man einen effektiveren Weg zur Schmerzbewältigung und -reduktion einschlagen. Wichtig ist auch, klare, konsistente und personalisierte Informationen zu erhalten, die es einem ermöglichen, fundierte Entscheidungen über die eigene Gesundheit zu treffen.

Hör auf, dich von Diagnosen lähmen zu lassen – setz auf Bewegung und gesunde Gewohnheiten. Starte jetzt dein Programm für ein schmerzfreies und aktives Leben!

Quellenangaben

1. Brinjikji, W., et al. (2015). „Systematic literature review of imaging features of spinal degeneration in asymptomatic populations.“ American Journal of Neuroradiology, 36(4), 811-816. (Degenerative Veränderungen in der Wirbelsäule sind häufig auch bei Menschen ohne Symptome vorhanden und haben oft keine klinische Bedeutung.)

2. Waddell, G. (2004). „The Back Pain Revolution.“ Churchill Livingstone. (Das bio-psycho-soziale Modell erklärt, dass Rückenschmerzen durch ein Zusammenspiel von physischen, psychischen und sozialen Faktoren verursacht werden.)

3. Ropper, A. H., & Zafonte, R. D. (2009). „Sciatica.“ New England Journal of Medicine, 361(11), 1154-1161. (Bestimmte Symptome wie Lähmungen oder der Verlust der Blasen- und Darmkontrolle erfordern eine sofortige medizinische Untersuchung.)

4. Deyo, R. A., et al. (2009). „Overtreating chronic back pain: time to back off?“ Journal of the American Board of Family Medicine, 22(1), 62-68. (Bildgebende Verfahren führen oft zu unnötigen und riskanten Behandlungen.)

5. Vlaeyen, J. W., & Linton, S. J. (2000). „Fear-avoidance and its consequences in chronic musculoskeletal pain: a state of the art.“ Pain, 85(3), 317-332. (Angst-Vermeidungsverhalten führt zu chronischen Schmerzen und eingeschränkter Funktionalität.)

6. Borenstein, D. G. (2013). „Epidemiology, etiology, diagnostic evaluation, and treatment of low back pain.“ Current Opinion in Rheumatology, 25(2), 131-134. (Die Verbesserung der Funktion und Lebensqualität ist wichtiger als die Beseitigung struktureller Anomalien.)

7. Karjalainen, K., et al. (2003). „Multidisciplinary biopsychosocial rehabilitation for subacute low back pain in working-age adults.“ Cochrane Database of Systematic Reviews, (2), CD002193. (Ein multidisziplinärer Ansatz verbessert die Lebensqualität und reduziert die Schmerzintensität bei Rückenschmerzen.)

8. Lim, Y. Z., et al. (2019). „People with low back pain want clear, consistent and personalised information on prognosis, treatment options and self-management strategies: a systematic review.“ Journal of Physiotherapy, 65(3), 124-135. (Patienten mit Rückenschmerzen wünschen sich klare, konsistente und personalisierte Informationen, um fundierte Entscheidungen über ihre Gesundheit zu treffen.)

9. Moseley, L. G. (2003). „A pain neuromatrix approach to patients with chronic pain.“ Manual Therapy, 8(3), 130-140. (Schmerz ist ein komplexer Schutzmechanismus des Gehirns, der nicht immer mit der Schwere der physischen Verletzung übereinstimmt.)

10. Moseley, L. G. (2007). „Reconceptualising pain according to modern pain science.“ Physical Therapy Reviews, 12(3), 169-178. (Das Gehirn spielt eine zentrale Rolle bei der Schmerzwahrnehmung, und Schmerzen können auch ohne ernsthafte physische Verletzung bestehen.)

11. Moseley, L. G. (2008). „Descending modulation of chronic pain: the impact of negative expectations.“ Journal of Pain, 9(8), 755-759. (Negative Erwartungen, die durch eine Diagnose verstärkt werden, können Schmerzen verstärken und das Schmerzempfinden chronifizieren.)

12. Petersen, S., et al. (2010). „The role of expectations in the experience of nocebo effects in randomized and open-label placebo trials.“ Pain, 150(2), 375-381. (Negative Erwartungen und Glaubenssätze können die Schmerzwahrnehmung verstärken.)

13. Nicholas, M. K., et al. (2011). „Self-management intervention for chronic pain in older adults: a randomised controlled trial.“ Pain, 152(3), 756-764. (Eine negative Sichtweise auf den eigenen Körper kann die Schmerzen und die psychische Belastung verschlimmern.)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert